Vögel und der Rhythmus der Jahreszeiten ist wohl untrennbar miteinander verbunden. Die ersten Vogelgesänge im Frühling lassen uns aufatmen und führen uns direkt in die Vorfreude auf die wärmere Jahreszeit. Doch auch die Flugrufe der aus Nordeuropa ziehenden Kraniche Richtung Süden, kündigen im Herbst den nahenden Winter an.
Der alljährliche Vogelzug ist wohl das beeindruckendste Naturschauspiel, das wir kennen. Im Herbst, wenn die Tage kürzer werden und die Nahrungsknappheit für die kommenden Monate sich ankündigt, dann geben Hormone den Vögeln den Impuls, sich aufzumachen Richtung Süden. Dabei ist ihnen der Zeitpunkt des Aufbruchs und auch die Wegstrecke zu ihrem Winterquartier angeboren. Instinktiv wissen sie also wo es lang geht.
Da der Winter und die damit zusammenhängende Nahrungsknappheit für viele Vögel den Hungerstod bedeuten würde, verlassen in den Monaten August bis Oktober über 100 Millionen Zugvögel ihre Brutgebiete in Deutschland. In den Überwinterungsgebieten im Mittelmeerraum und Afrika ist das Nahrungsangebot für die kommenden Monate dann so üppig vorhanden, wie sie es in den Sommermonaten bei uns vorfinden.
Der Rostocker Pfeilstorch brachte DIE Erkenntnisse zum Vogelzug
Der jährlich wiederkehrende Vogelzug ist ein komplexes Thema und unser Wissen um die Zugmuster einiger Arten lässt immer noch viele Fragen unbeantwortet.
Erst im 19. Jahrhundert konnte der Beweis des Vogelzugs nach Afrika durch einen deutschen Jäger erbracht werden. Der Jäger von der Ostsee hatte 1822 einen Weißstorch abgeschossen. Im Hals des Vogels steckte ein afrikanischer Speer. Wissenschaftler waren seither angeregt, das Thema weiter zu erforschen.
Zum Glück konnte der alte Mythos nicht bestehen bleiben, welcher besagte, dass die Vögel in den Wintermonaten auf dem Grund von Tümpeln und Seen einen Winterschlaf halten. Oder so ähnlich. ;-)
Welche faszinierenden Erkenntnisse seither Stück für Stück über den Vogelzug erforscht wurden und weiterhin erforscht werden, stellt alle Mythen in den Schatten. Inzwischen können mit winzigen Funksendern genaue Flugrouten der Vögel ermittelt werden.
Der Vogelzug ist eine unglaubliche Leistung der Gefiederten
Keine andere Tiergruppe ist so mobil wie die Vögel. Etwa die Hälfte aller Vogelarten pendelt im Jahresverlauf zwischen zwei verschiedenen Orten. Selbst die Kleinsten unter den Reisenden leisten beim Vogelzug Unglaubliches, wenn sie Jahr für Jahr ihre Kräfte mit den Elementen messen und tausende Kilometer auf ihrer Reise zurücklegen.
Einige Vogelarten bevorzugen entweder den Nacht- oder den Tagzug, doch die meisten Arten fliegen zu beiden Tageszeiten. Die Flughöhe beträgt zwischen 500 und 9000 Metern über der Erde. Dabei fliegen die kleineren Vögel eher weiter unten.
Auf ihrer Reise machen sich die Vögel ihr ausgefeiltes Navigationssystem zu nutze: Den Sonnenkompass, den Sternenkompass und den Magnetkompass. Dabei orientieren sie sich am Sonnenstand, dem Sternenhimmel und dem Magnetfeld der Erde. Mit ihrem Magnetsinn, welcher in ihrem Kopf liegt, sollen Vögel die Magnetfelder sogar sehen können! Insbesondere bei schlechtem Wetter weist ihnen der „eingebaute Magnetkompass“ den Weg.
Aber auch an markanten geographischen Leitlinien wie Flüssen, Meeresküsten oder Gebirgen orientieren sich die Zugvögel. Das gesamte Zuggeschehen zieht sich meist über mehrere Wochen hin, bis die Vögel ihr Winterquartier im Süden erreicht haben.
Mittelmeerraum oder Afrika?
Je nach Überwinterungsgebiet lassen sich Kurz- und Langstreckenzieher unterscheiden.
Rund 80 der über 300 in Deutschland brütenden Vogelarten sind Langstreckenzieher. Es sind jene Zugvögel, deren Überwinterungsgebiete sehr weit von den Brutgebieten entfernt liegen. Zu den Langstreckenziehern gehört z.B. der Mauersegler, der seine Reise bereits Ende Juli in Richtung Afrika antritt.
Manche Vogelarten fliegen nonstop von A nach B. Und das über mehrere Tausend Kilometer. Angefressene Fettreserven vor dem großen Flug dienen als Treibstoff. Wenn der ausgeht, machen die Vögel Rast. Meist sind das die Langstreckenzieher, welche mit Futter und Schlaf bei ihrer Rast Ihre Energiereserven auffüllen.
Verschiedene Vogelarten wie z.B. Weißstörche und Kraniche fliegen eine sichere Route über Land, die sogenannte Ostroute. Hierbei überqueren sie auf ihrer Reise Richtung Südafrika das Hula-Tal in Israel und legen dort einen Zwischenstopp ein. Hunderttausende Vögel werden dort jedes Jahr im Frühling und Herbst, zur jeweiligen Flugzeit beobachtet.
Die Langstreckenzieher machen sich alljährlich je nach Vogelart zur gleichen Zeit auf den Weg in ihre Winterquartiere nach Afrika und legen dabei zum Teil weit über 4.000 Kilometer zurück. Die Küstenseeschwalbe überwindet als Langstreckenzieher die meisten Kilometer. Sie fliegt vom Brutgebiet im Nordatlantik bis in die 30.000 km entfernte Antarktis. Dies ist die weiteste bekannte Reise im Tierreich.
Rund 40 Vogelarten wie die Feldlerche, der Hausrotschwanz, das Rotkehlchen, die Singdrossel oder Stare sind Kurzstreckenzieher – überwintern also im Mittelmeerraum. Jedoch nicht alle, es zieht nur ein Teil der Population in wärmere Gefilde. Hier wird dann von Teilziehern gesprochen. Das Rotkehlchen gehört zum Beispiel in Deutschland zu den Teilziehern. Und so bleiben uns neben den Teilziehern auch die Standvögel wie Amseln, Meisen, Finken und andere als treue Begleiter durch die Wintermonate.
Jene Vogelarten, die ganzjährig bei uns bleiben, nennt man Standvogel oder Jahresvogel. Anders als bei den Zugvögeln führen sie keine regelmäßigen saisonalen Wanderungen durch.
Die Jagd auf Zugvögel
Die kräftezehrende Reise schaffen leider nicht alle Vögel. Und neben den natürlichen Verlusten beim Vogelzug kommt leider noch erschwerend hinzu, dass die Verluste durch illegale Bejagung noch erhöht werden!
In den Ländern Malta, Zypern, Italien und Ägypten ist das Töten und Verspeisen unserer gefiederten Freunde weiterhin präsent. Hier werden die Vögel z.B. an der Küste Ägyptens in großen Schwärmen mit riesigen Fangnetzen am Weiterfliegen gehindert und landen im Kochtopf. Dadurch kommen nicht mal die Hälfte aller Vögel, die in Europa starten, an ihrem Zielort im Süden an.
Einige Vogelschutzprojekte sind zum Teil seit Jahrzehnten mit viel Geduld und kontinuierlichem Engagement dran, die jeweiligen nationalen Jagdgesetze dahingehend zu ändern, dass Zugvögel langfristig geschützt sind.
Unsere Wintergäste
Die Zahl der ziehenden Vögel ist europaweit gesehen, natürlich noch höher,
denn von Nordeuropa überqueren die dort brütenden Vögel Deutschland, machen hier Rast, um dann in den wärmeren Gebieten Ihre Winterquartiere aufzusuchen. Andere Vogelarten überwintern sogar hier in Deutschland – das sind dann unsere gerngesehenen Wintergäste.
Die Zugzeit in den Monaten August bis Oktober und im Frühjahr bieten gute Beobachtungsmöglichkeiten an der Meeresküste, an Flusstälern oder Bergkuppen.
Hier können wir die Vögel in artgleichen Schwärmen oder gemischten Trupps sehen, wenn die in Deutschland überwinternden Vögel uns verlassen und gleichzeitig die Vögel aus dem Süden wieder ihre Brutgebiete bei uns aufsuchen.
Und wenn wir an keines der genannten Orte zur Zugzeit sein können, so dürfen wir uns alljährlich im Frühling wie im Herbst von den nicht zu überhörenden, wundervollen Flugrufen der Kraniche beglücken lassen.
Quellen: NABU, Buch "Atlas des Vogelzugs" von Jonathan Elpnick, Wikipedia, Pexel